Ottant’anni dall’8 settembre 1943

Organisatoren
Istituto romano per la storia d’Italia dal fascismo alla Resistenza, Rom
Ort
Rom
Land
Italy
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
12.10.2023 - 12.10.2023
Von
Pascal Oswald, Historisches Institut, Universität des Saarlandes, Saarbrücken

Das Jahr 1943 brachte insbesondere für das faschistische Italien, das bereits seit geraumer Zeit die Rolle des Juniorpartners im Achsenbündnis einnahm, einschneidende politische und militärische Veränderungen mit sich. Im März 1943 kam es mit den Streiks in den oberitalienischen Industriestädten zu einer ersten wichtigen Manifestation der Massenunzufriedenheit. Am 10. Juli landeten alliierte Truppen auf Sizilien. Am 24./25. Juli stürzte eine monarchisch-faschistische Opposition Mussolini. König Vittorio Emanuele III. setzte Marschall Pietro Badoglio als neuen Regierungschef ein. Dieser erklärte zwar zunächst, der Krieg gehe weiter, im Geheimen nahm die „Regierung der 45 Tage“, wie die autoritäre Militärdiktatur aufgrund ihrer kurzen Lebenszeit rückblickend genannt wird, jedoch bald Waffenstillstandsverhandlungen mit den Alliierten auf. Auf die Bekanntgabe des fünf Tage zuvor im sizilianischen Cassibile unterzeichneten Waffenstillstands am Abend des 8. September folgte eine militärische Katastrophe: Die ohne klare Befehle zurückgelassene italienische Armee setzte der Wehrmacht, die ihre Präsenz in Italien seit dem 25. Juli von 6 auf 16 Divisionen verstärkt hatte und nun gemäß Plan „Achse“ die Besetzung weiter Teile der Apenninenhalbinsel in Angriff nahm, nur vereinzelt Widerstand entgegen und löste sich rasch auf. Auf diese Weise wurde Italien zum „besetzten Verbündeten“1; zugleich markiert der 8. September indirekt den Beginn eines Bürgerkriegs zwischen der damals in der Entstehung begriffenen Resistenza und dem im republikanischen Gewand wiederauferstehenden Faschismus.

In den verlesenen Begrüßungsworten zur Tagung anlässlich des 80-jährigen Jubiläums des 8. September 1943 unterstrich der abwesende MIGUEL GOTOR, Assessore alla Cultura del Comune di Roma, die Bedeutung des 8. September in der Debatte über die „aus der Resistenza geborene Republik“ und zeigte die kontroversen Interpretationen jenes Datums durch italienische Historiker auf, indem er auf die in den 1990er-Jahren entfesselte Debatte über den „Tod des Vaterlandes“ verwies. Den Begriff, den der Jurist und Schriftsteller Salvatore Satta in seinem 1948 veröffentlichten Roman „De profundis“ gebraucht hatte, brachte erstmals wieder Ernesto Galli della Loggia zu Beginn der 1990er-Jahre ans Licht. Wenig später vertrat auch der renommierte Faschismusforscher Renzo De Felice die These, der 8. September habe die kollektive nationale Erinnerung unterminiert und eine ethisch-zivile Schwäche des politischen Italiens bewirkt. Diese Sichtweise stehe den Interpretationen der antifaschistischen Historiographie diametral gegenüber, für die der 8. September traditionell den Beginn der riscossa und eines „zweiten Risorgimento“ darstellten. Aus diesen Gründen sei das Thema der Tagung wichtig und historiographisch relevant.

Nach einführenden Worten PAOLA CARUCCIs (Rom) zu den Jahren 1943 bis 1945 in Rom schaltete ELENA AGA ROSSI, die Verfasserin des Standardwerks zu den politisch-militärischen Ereignissen des 8. September2, ihrem eigentlichen Vortragsthema allgemeine Betrachtungen zur Bedeutung des armistizio vor. Dabei erinnerte sie sowohl an ihre auf Forschungen in angloamerikanischen Archiven beruhende Interpretation der Waffenstillstandsverhandlungen als „gegenseitigen Betrug“3 als auch daran, dass es sich beim Waffenstillstand faktisch um eine bedingungslose Kapitulation Italiens handelte. Aga Rossi hob die zahlenmäßige Überlegenheit der italienischen Truppen gegenüber den deutschen in Rom und Umgebung hervor, wo sechs italienischen Divisionen nur zwei (wenn auch besser ausgerüsteten) deutschen gegenüberstanden. Aufgrund der Anordnungen Badoglios und des Heeresstabschefs Vittorio Ambrosio, nur im Falle eines deutschen Angriffs zu reagieren, hätten von den italienischen Divisionen fast nur die Granatieri di Sardegna im unmittelbaren Umkreis von Rom in den Tagen vom 8. bis 10. September Widerstand geleistet. Nach der „Flucht von Pescara“ des Königs und Badoglios am 9. September wurde am Folgetag ein Waffenstillstandsabkommen ausgehandelt, dem zufolge die deutsche Besatzung sich auf die Besetzung einiger weniger Punkte der Stadt beschränken und General Giorgio Calvi di Bergolo das Kommando der Ewigen Stadt übernehmen sollte. Tatsächlich brachen die Deutschen jedoch am 23. September unter einem Vorwand den Vertrag, indem sie in die Stadt vordrangen und die verbliebenen italienischen Streitkräfte entwaffneten.

Im Anschluss an ältere Forschungen Gianni Isolas und Enzo Forcellas4 behandelte ANDREA SANGIOVANNI (Teramo) die Rolle des Radios in den Tagen um den 8. September 1943. Der um 18:30 Uhr von General Eisenhower in Radio Algiers bekanntgegebene Waffenstillstand wurde erst nach einer Sitzung des Kronrats von italienischer Seite durch eine Rundfunkansprache Badoglios von der römischen Station des Ente Italiano per le Audizioni Radiofoniche (EIAR) um ca. 19:45 Uhr publik gemacht. Sangiovanni betonte, dass Zeitgenossen wie der Schriftsteller Ercole Patti und der Journalist Paolo Monelli für die folgenden Tage ein „Schweigen“ des Radios bezeugten. Wenn auch mit aller Wahrscheinlichkeit das Radio tatsächlich nur für wenige Stunden die Sendungen ganz ausgesetzt habe, sei die Übertragung populärer Lieder Ausdruck eines „Informations-Black-Outs“5 gewesen, der die Verwirrung bei den Rezipienten noch verstärkt habe. Diese bereits bekannten Überlegungen ergänzte Sangiovanni durch kontextualisierende Betrachtungen zur Bedeutung des Radios vor und nach dem 8. September. Auch wenn die stetig wachsende Zahl der Radioabonnenten in Italien vor Kriegsbeginn nur 1,8 Millionen betragen habe, sei die tatsächliche Hörerschaft deutlich größer gewesen. Indem einerseits die Deutschen den EIAR in Rom besetzten, der seinen Sitz bald in den Norden verlegen würde, andererseits am 10. September Antifaschisten den Sitz des EIAR in Bari in Besitz nahmen (am 11. wurde eine Ansprache des Königs verlesen, am 12. sprach Badoglio im Radio), hätten sich die beiden konkurrierenden Modelle Italiens auch im Rundfunk wiedergefunden: Auf diese Weise habe sich der Bürgerkrieg auch auf den Wellen des Radios abgespielt.

PATRIZIA GABRIELLI (Siena) sprach unter Verwendung edierter wie inedierter (insbesondere aus dem Archivio diaristico nazionale in Pieve Santo Stefano stammender) Selbstzeugnisse zum bereits aus ihren Publikationen6 bekannten Thema „Frauen, Maternage und Resistenza“. Der Krieg habe eine Überschneidung der Geschlechterrollen und im Alltag der Frauen zusätzliche häusliche Arbeit bedeutet. Der 8. September habe eine Wasserscheide in der Erinnerung der Italiener:innen bedeutet, die das Kriegsgeschehen in ein Vorher und ein Nachher teile. Die Hilfeleistungen gegenüber den soldati sbandati in den Tagen nach dem 8. September, für welche die Historikerin Anna Bravo den Begriff der „Massen-Maternage“ prägte, könnten auch als Akt zivilen Widerstands im Sinne Jacques Sémelins interpretiert werden. Laut Gabrielli gab es in vielen Fällen eine Kontinuität zwischen zivilem und bewaffnetem Widerstand. Verdienst der Forschung seit Bravo sei es, das Begriffspaar „Frauen – Resistenza“ zum Dreigestirn „Frauen – Krieg – Resistenza“ erweitert zu haben. Seit den 1970er-Jahren hätten Oral-history-Forschungen das in der Erinnerungskultur vorherrschende Bild einer heroischen, männlichen Resistenza korrigiert: Statt von einem Beitrag der Frauen zur Resistenza sei nun von einer weiblichen Partizipation an dieser die Rede. Der Verfasser dieses Tagungsberichts teilt die Kritik Caruccis, die in ihrem Kommentar bemerkte, dass angesichts des knappen Ausgangs des Referendums von 1946 über die Frage nach Monarchie oder Republik wahrscheinlich nur ein begrenzter Teil der Frauen aktiv an der Resistenza teilnahm. Wenngleich man die Hilfeleistungen nicht wie De Felice als bloße Geste menschlicher Solidarität kleinreden sollte, sollte man auch nicht ins andere Extrem verfallen, sie ausschließlich unter der Kategorie zivilen Widerstands zu lesen.

AMEDEO OSTI GUERRAZZI (Padua), der durch zahlreiche Veröffentlichungen als Experte für die römische Shoah ausgewiesen ist7, erklärte zu Beginn seines Vortrags über die Juden während der neunmonatigen deutschen Besatzung Roms, dass sich die bisherige Historiographie auf die Verhaftung und Deportation konzentriert habe, wohingegen die jüdische Alltagsgeschichte in diesem Kontext weniger erforscht sei. Von den 12.000 bis 13.500 römischen Juden seien 60 Prozent kleine Händler gewesen. Nach den „Rassengesetzen“ von 1938 betätigten sich zahlreiche römische Juden auf dem Schwarzmarkt, 1940 wurden etliche in die Verbannung geschickt, und ab 1942 begann für viele die Zwangsarbeit. Beim Sturz Mussolinis gaben die meisten römischen Juden ihre Freude kund. In den chaotischen Tagen nach dem 8. September plünderten einige Juden unter der Führung Elena di Portas ein Waffendepot, um sich gegen die Besetzer zu rüsten; andere nahmen aktiv am Widerstand an der Porta San Paolo teil. Das vorsichtige Verhalten des Oberrabbiners Israel Zolli, der die Gemeinde aufrief, sich zu zerstreuen, und selbst aus der Stadt floh, habe sich grundlegend von dem des Gemeindepräsidenten Ugo Foà und dem des Präsidenten der Vereinigung der jüdischen Gemeinden Italiens Dante Almansi unterschieden, die beide die Lage für ungefährlich hielten. Dass der Forderung SS-Obersturmbannführers Herbert Kappler nach 50 Kilogramm Gold entsprochen wurde, habe die Gemeinde ruhig gehalten. Die einschneidende Razzia des 16. Oktober mit ihren 1.023 Deportierten habe schließlich das Ende dieser trügerischen Hoffnungen markiert. Im nachfolgenden Zeitraum seien ca. 3.000 Juden in römischen Ordenshäusern versteckt worden. Nationalsozialisten und Faschisten schreckten nicht davor zurück, in Einzelfällen sogar Razzien in Konventen wie dem von Sankt Paul vor den Mauern durchzuführen. Vor allem diejenigen römischen Juden, die begrenzte ökonomische Ressourcen hatten, sahen sich trotz der Gefahr gezwungen, in ihre alten Wohnungen zurückzukehren, und setzten ihre Tätigkeit als Händler fort, wobei sie absurderweise vielfach Souvenirs an nationalsozialistische Touristen verkauften. In der Zeit vom 17. Oktober bis zur Befreiung Roms am 4./5. Juni 1944 seien durchschnittlich noch sieben Juden täglich verhaftet worden. Die fast immer finanziell motivierten Kollaborateure waren zwar zahlenmäßig wenige, arbeiteten jedoch meist sehr effektiv, da sie leicht in das Bekanntschaftsnetz der Juden eindringen konnten. Das Doppelspiel vieler Polizisten habe nicht wenigen Juden das Leben gerettet. Zuletzt äußerte Osti Guerrazzi die Hypothese, dass die Zahl der verhafteten jüdischen Kinder sehr gering gewesen sei.

Nach einigen vergleichenden Betrachtungen MARCELLO FLORES’ zur Kollaboration in Italien und Frankreich trug GABRIELE RANZATO, Autor der 2019 erschienenen Monographie „La Liberazone di Roma“8, interessante Überlegungen zum bewaffneten Widerstandskampf in den Städten vor, der fast ausschließlich von den kommunistischen Gruppi d’Azione Patriottica getragen worden sei. Besonders innovativ waren die auf Archivforschungen des Referenten beruhenden Zahlen über die deutschen Opfer der Attentate in den Städten des norditalienischen Industriedreiecks: Die Aktionen der Resistenza hätten auf deutscher Seite 61 Tote in Mailand, 24 in Turin und 16 in Genua gefordert.

GABRIELLA GRIBAUDI, die Verfasserin eines Standardwerks über Neapel im Zweiten Weltkrieg9, warf ein besonderes Schlaglicht auf die „Vier Tage von Neapel“. Nach ihrer Meinung war die Volksbeteiligung sehr stark, und das spontane Element spielte bei der antinazistischen Erhebung eine bedeutende Rolle. Dagegen distanzierte sich Gribaudi ebenso von der linken Interpretation der Quattro giornate als antifaschistischer Erhebung wie von der rechten, in den Massenmedien präsenten Darstellung, es habe sich lediglich um die Erhebung einiger scugnizzi gegen wenige auf dem Rückzug befindliche Deutsche gehandelt.

Entsprechend ihrer Konzeption fassten die Beiträge der Tagung vor allem den Forschungsstand zu verschiedenen Themen rund um den 8. September und um das Biennium 1943 bis 1945 in Italien und insbesondere in Rom zusammen. Dies geschah in einer auch für ein breiteres Publikum und für die am Vormittag zahlreich anwesenden Schüler:innen verständlichen Weise. Darüber hinaus präsentierten insbesondere einige Beiträge der Nachmittagssektion durchaus innovative Forschungsergebnisse. Auf diese Weise stellte die Tagung unter Beweis, dass es auch noch 80 Jahre nach der Bekanntgabe des Waffenstillstands von Cassibile und trotz der großen Menge an verfügbarer Literatur zum Thema möglich ist, neues Licht auf diesen wichtigen Umbruchsmoment in der neuesten Geschichte Italiens zu werfen.

Konferenzübersicht:

Begrüßung: Miguel Gotor

Moderation: Paola Carucci (Rom)

Elena Aga Rossi: La mancata difesa di Roma

Andrea Sangiovanni (Teramo): La guerra invisibile delle onde radio

Patrizia Gabrielli (Siena): Donne Maternage e Resistenza

Moderation: Anna Balzarro (Rom)

Amedeo Osti Guerrazzi (Padua): Gli ebrei romani nella città occupata

Marcello Flores: Il collaborazionismo in Europa, Rsi e Vichy

Gabriele Ranzato: Da Porta San Paolo alla Resistenza armata nelle città

Gabriella Gribaudi: Napoli dopo l’8 settembre

Anmerkungen:
1 Lutz Klinkhammer, Zwischen Bündnis und Besatzung. Das nationalsozialistische Deutschland und die Republik von Salò 1943–1945, Tübingen 1993 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 75), S. 4.
2 Vgl. Elena Aga Rossi, Una nazione allo sbando. L’armistizio italiano del settembre 1943 e le sue conseguenze, Bologna 2003 (1993).
3 Elena Aga Rossi (Hrsg.), L’inganno reciproco. L’armistizio tra l’Italia e gli angloamericani del settembre 1943, Rom 1993.
4 Vgl. Enzo Forcella, L’arte della fuga. Il black-out dell’informazione nella crisi italiana dell‘8 settembre ’43, in: Movimento operaio e socialista 3 (1983), S. 481–497; Gianni Isola, Una radio allo sbando: l‘8 settembre 1943 ai microfoni dell’EIAR, in: Mélanges de l’école française de Rome 108 (1996), S. 137–145.
5 Forcella, L’arte della fuga.
6 Vgl. Patrizia Gabrielli / Camillo Brezzi, La forza delle memorie. L’Archivio dei diari di Pieve Santo Stefano, Bologna 2022; Patrizia Gabrielli, Scenari di guerra, parole di donne. Diari e memorie nell’Italia della seconda guerra mondiale, Bologna 2007.
7 Vgl. hier nur Amedeo Osti Guerrazzi, Kain in Rom. Judenverfolgung und Kollaboration unter deutscher Besatzung 1943/44, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 54 (2006), S. 231–261; ders., La persecuzione degli ebrei a Roma. Carnefici e vittime, in: Silvia Haia Antonucci / Claudio Procaccia (Hrsg.), Dopo il 16 ottobre. Gli ebrei a Roma tra occupazione, resistenza, accoglienza e delazioni (1943–1944), Rom 2017, S. 35–273.
8 Gabriele Ranzato, La liberazione di Roma. Alleati e Resistenza (8 settembre 1943–4 giugno 1944), Rom 2019.
9 Gabriella Gribaudi, Guerra totale. Tra bombe alleate e violenze naziste. Napoli e il fronte meridionale 1940–44, Turin 2005.

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